Kann man mit einem Mountainbike und einem Surfboard zum Atlantik Fahren?
Schon mal vorweg: Ja kann man, aber es tut ganz schön weh, ist anstrengend und dauert ca. 11 Tage. Für jemanden der nicht am Meer wohnt war es immer schon mein Traum mit dem Rad und dem Board einmal zum Atlantik zufahren. Diesen Surf-Biketrip hab ich auch umgesetzt vor etwa 10 Jahren. Falls es dich interessiert, hier gibts die Story als Kurzversion.
Tourübersicht
11 Tage bis zum Meer
Die ganze Tour war eher eine Notwendigkeit als ein lang geplantes Vorhaben. Fakt war, ich musste nach San Sebastian für mein Auslandssemester. Die Idee einmal mit dem Rad zum Surfen zufahren hatte ich zwar schon, aber eher als ein Hirngespinst. Während einerseits Anreisemöglichkeiten, wie Flugzeug oder Bahn immer unwahrscheinlicher wurden aufgrund schlechter Verbindungen, wuchs die Idee mit dem Rad zufahren heran und gewann schlussendlich gegen die Idee des Autostoppens. Die wichtigste und beste Vorbereitung waren motivierende Gespräche mit den engsten Freunden. Mehr an Vorbereitung gab es de facto nicht. Mein Rad habe ich um einen Gepäcksträger und zwei Satteltaschen erweitert. Das Surfboard verlief parallel zum Rad rechts neben mir und wurde auf einer zurechtgebogenen Alustange gehalten. Ich wusste nicht ob ich am ersten, am zweiten oder am dritten Tag wieder umkehren werden. Die Blöße so ein Projekt groß heraus zu posaunen und dann umkehren zu müssen, wollte ich mir nicht geben. Mehr als eine Handvoll Freunde wussten deshalb nicht von der Tour.
Los gehts durch die Alpen und rein in die Schweiz
Der erste Tag führte mich von Salzburg nach Innsbruck, ein lehrreicher Tag. Statt die normale Straßenverbindung zu nehmen, nutzte ich die Rad- und MTB-Wege. Mit über 35kg Gepäck ist das keine gute Idee. Tag zwei führte mich nach Vorarlberg und somit über den Arlberg. Nicht der Anstieg, sondern der Gegenwind und ein Sturz machten mir zu schaffen. Der Wind stahl mir die Kraft und der Sturz brach die Surfboardhalterung. Das geschah keine 500 Meter Luftlinie vom Bahnhof entfernt. Umkehren? Jetzt schon? Für solche Momente habe ich mir extra Seil mitgenommen. 3 Knoten und weiter ging es. Durch Lichtenstein hinein in die Schweiz und zu unglaublich schönen Seen mit Bergkulisse und 4000er Ausblick. Die dritte Nacht sollte etwas Abenteuer mit sich bringen. Ein Heustadl, der mein Nachtquartier war, entpuppte sich als Jägerstand. Um ca. 3 Uhr nachts war es dann soweit und die Jäger standen etwa 2 Meter unter mir. Einen Jäger mit geladenem Gewähr in der Nacht zu erschrecken, wenn man in seinem Jägerstand ist, war vermutlich keine gute Idee. Mein Herz pochte, die Jäger redeten nichts ahnend und verschwanden nach folternden 2 Stunden wieder. Neben der schlaflosen Nacht sollte die fehlende Dusche zum nächsten Verhängnis werden. Schweiß hinterlässt Salzkristalle auf der Haut. Beim Treten reiben die Beine an den Kristallen. Nach etwa 150km Tagesleistung kann man sich das so vorstellen, wie wenn man mit den Beinen in die Schleifmaschine kommt. Da half auch der schöne Anblick der Berner Altstadt wenig. Von Bern ging es durch das Emmental zum Genfer See. Kurz vor Genf schlief ich das letzte Mal in der Schweiz. Beim Verlassen der Schweiz ging es bergab.
Ab nach Frankreich
Frankreich begrüßte mich mit wunderbaren Abfahren, prachtvollen alten Baumalleen und verschlafenen Dörfern. Die Berge dachte ich von nun an hinter mir zu lassen. Als Windsurfer kenn ich das französische Zentralmassiv da es für den Mistral-Wind die enormen Windschneisen mitverantwortet. Mehr wusste ich darüber nicht. So wusste ich nicht, dass die Alpen ein Kinderspiel im Vergleich zu der Durchquerung dieses Massivs werden sollten. In den Alpen fährt man einen Berg, einen Pass hoch und dann mit entsprechender Entspannung auch wieder hinunter. Hier war es anders. Von etwa 200 Meter Seehöhe ging es hoch auf 1000 Meter Seehöhe. Entspannung gab es dann aber keine.
Bergauf und Bergab im ständigen Wechsel, das zerstört jede Durchschnittsgeschwindigkeit, jede Motivation und jedes Ziel, das man sich für den Abend gesetzt hat. Spätestens jetzt begann ich mir Gedanken zu machen warum ich hier eigentlich fuhr. Der Traum den Atlantik zu sehen, mein Board zu nehmen, aus eigener Kraft hier her gekommen zu sein und dann zu surfen, das motiviert. Das hilft aber nicht jeden Tag ca. 160 Kilometer hinter sich zu bringen. Mit einem Mountainbike und dem Gepäck braucht man sich keine Gedanken zu machen, ob man nicht etwas schneller fahren soll. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lässt sich kaum beeinflussen. Die einzige Möglichkeit schneller zu sein, sind Pausen die man weg lässt und negative Gedanken die es zu verdrängen galt. Ich habe mir die Strecke immer in kleine Teile vorgestellt. Bei mir zuhause fahre ich gerne eine Strecke von 20 Kilometern. Die Strecke war meine Referenz. War mein nächste Punkt 45 km entfernt so war es ja „nur“ zweimal meine Heimstrecke. Kürzer machte es die Distanz dadurch nicht, aber vorstellbarer.
Die Strecke soweit ich mich erinnere
Traumhafte Momente am Bike
Die schönste Zeit war der Abend. Ich hatte mir jeden Tag ein Tagesziel an Kilometern gesetzt. Ab ca. 19:00 war dieses Ziel geschafft. Von da an war die restliche Strecke reiner Genuss, die vielen Sonnenuntergänge, die verwunderten Gesichter der wenigen Menschen die ich sah und die Vorfreude auf den Schlaf. Bis auf die ersten zwei Nächte war keine Unterkunft geplant. Optionen ergaben sich, manchmal bessere, manchmal einfachere. Zu jenen der Besseren zählte die Nacht in einer französischen Ritterburg, die sich wie vieles auf der Reise durch Zufälle und nette Begegnungen ergab. Je näher ich dem Meer kam umso flacher wurde es. Ich schaffte mehr Kilometer, einfacher war es jedoch nicht. Brütende Hitze und endlose Geraden waren eine Bewährungsprobe. Gegen das eine hilft Wasser und gegen das andere Vorfreude. Wogegen jedoch nur eine längere Pause half, war die Erschöpfung und leichte Erkältung die immer stärker wurde. So kurz vor dem Ziel wollte und konnte ich nicht mehr aufgeben. Spätestens ab der Stadt Bayonne in der gerade das berühmte Stadtfest war, konnte man das Meer riechen.
Ein unglaubliches Gefühl nach so vielen Kilometern mit dem einen Ziel vor Augen. Die letzten 10 Kilometer fuhr ich mit meiner Kamera in der Hand. Ich wollte das Meer beim ersten Anblick festhalten. Die verwinkelte Straßenführung von Biarritz gab keine Sicht frei. Erst Im Herzen der Stadt, mitten unter Badeurlaubern und 500 Metern Entfernung konnte ich den Atlantik sehen. Die Schmerzen der Beine, die Strapazen und die Zweifel waren weg. Nebel lag über dem Meer und ich konnte die Wellen für die ich 1600 km gefahren bin hören. Mein Endpunkt San Sebastian lag noch eine halbe Tagesfahrt entfernt, aber Wellen die mich von soweit angezogen haben, ließen mich auch das vergessen. Das Rad brachte ich bei Sonnenanbeter unter, die Finnen ins Board geschraubt und noch ein Foto, dann ging es in Wasser. Die erste Welle die ich surfte war jeden Kilometer wert. Das Gefühl jetzt hier zu sein aus eigener Kraft, es war unbeschreiblich. Von Biarritz Richtung Spanien wurde die Landschaft wieder gebirgiger. Die Ausläufer der Pyrenäen formen hier die Küste. Was hier auch prägend ist sind die Basken. Aus dem langersehnten Foto mit dem Grenzschild „Spanien“ wurde nichts. Spanien liegt vielen Basken nicht und das zeigen sie im Umgang mit Grenzschildern. Das Einrollen in die beindruckende Stadt San Sebastian war die Krönung dieses Tages. Eine Stadt voller Leben hieß mich willkommen.
Aus eigener KRaft
Eine ausführliche Beschreibung gibt es in dem Buch „Aus eigener Kraft“ als Teil von 7 Outdoor-Geschichten zu lesen.
Erschienen im KOMPASS Verlag
ISBN: 9783990449660
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