… oder nie wieder über die Birnlücke
Vergiss die Überschrift gleich wieder wenn du Lust darauf hast dein Bike über die Alpen zu tragen. Dabei hilft es natürlich wenn dein Rad leicht ist und du fit bist. Wenn du aber schon ein paar Kilometer in den Beinen hast und du Karbon nur als Erdzeitalter kennst, such dir eine andere Strecke.
Ein kleiner Reisebericht von meiner MTB-Transalp von Tirol über das Krimmler Achental und das Pustertal zum Gardasee in 2 Tagen Ende Oktober 2022.
Los ging es in Kirchberg in Tirol Richtung Westen. Wobei los ging es vor Jahren schon. Die Birnlücke ist bekannt als alte Schmuggler-Route, als Alpenüberquerung für Hirten und als Fluchtroute während und nach dem zweiten Weltkrieg. Diese geschichtsträchtige Überquerung am Ende des Krimmerltals ist Teil des kurzen Grenzabschnittes zwischen Salzburg und Italien. Mir war die Strecke nicht ganz unbekannt. Von der Südtiroler Seite habe ich den Pass schon einmal mit einem Kater in mir und einem Skateboard am Rücken überquert. Leider konnte ich mich nicht mehr an das Gelände erinnern. Sonst hätte ich diese Tour doch nie mit dem Bike gestartet. Los geht’s:
Kirchberg in Tirol – Krimmer Wasserfälle

Erstes Ziel ist die Windau, eines der schönsten Seitentäler des Brixentals, vor allem für Radfahrer. Über die Filzenscharte geht es nach Salzburg. Fast bis zur Scharte auf 1686 Metern kann man fahren, nur die letzten ca. 200 Meter sind etwas zu schieben bzw. teilweise zu tragen. Danach folgt eine wunderbare Abfahrt auf Forststraßen bis runter in das Salzachtal.

Wobei nicht ganz runter. Ich halte mich etwas oberhalb des Tals genieße die Sonne und es beginnt das Martyrium des ewigen Verfahrens. Der Vater eines Freundes hat die treffende Erklärung aufgestellt: eine Abkürzung ist definiert durch die weitestes Distanz von Punkt A zu Punkt B. Und Recht hat er wieder einmal gehabt. Wäre ich doch bloß auf dem Radweg geblieben. Der wäre geradewegs Richtung Krimmer Wasserfälle gegangen. Stattdessen habe ich ein paar extra Kilometer und Höhenmeter eingelegt. Eigentlich kann man immer durchgängig auf Radwege bis nach Krimml fahren. In Krimml sind dann erste Bedenken bezüglich Altschneereste aufgekommen. Schnell hab ich mir noch ein paar Müllsäcke für die Schuhe als wasserdichte Innenhüllen besorgt. Leider waren sie nicht für umsonst. Weiter geht es auf der Gerlospass-Straße. Nach ein paar Kehren bekommt man einen wunderbaren Ausblick auf die Wasserfälle. Nach ein paar weiteren biegt der Weg in das Krimmlertal ab.




Tragen statt schieben
Über die Birnlücke nach Bruneck
Das Krimmlertal ist atemberaubend. Oberhalb der Wasserfälle geht es durch einen Tunnel ins lange Tal, immer auf den Gletscher zu. Im Tal selbst ist der Verlauf eher flach und das Fahren der reinste Genuss. Das ändert sich schnell sobald es Richtung Talschluss geht. Mein Ziel ist die Birnlücke. Meine Vermutung im Nachhinein ist es, lieber über das Windbachtal und den Krimmler Tauern zu versuchen. Zur Birnlücke wird es von einer Schiebestrecke sehr schnell zu einer Tragestrecke. Und auch die wird im weiteren Verlauf immer steiler und ausgesetzter. Der Wind nimmt immer mehr zu, die Temperatur ab und die Sonne wirft lange Schatten. Ich komme viel zu langsam voran und muss unzählige Pausen einlegen. Mit der einen Hand schulter ich mein Bike und mit der anderen halte ich mich immer öfter an der Seilversicherung fest. Irgendwann ist die „Lücke“ zu sehen. Sie kommt langsam näher:

Auf der anderen Seite wartete zwar eine prächtige Aussicht, jedoch auch Schnee und keine fahrbare Strecke. Weiter ging es mit dem Tragen durch Schnee und über Felsblöcke. Als Zwischenziel ist die Birnlücken-Hütte früh schon zu sehen. Weiter geht es vorbei an der Lahneralm zur Kehrneralm. Ab hier kann man dann endlich wieder losfahren. Es geht stätig bergab.

Schnell wird es immer dunkler, Regen setzt ein und die meiste Zeit fahre ich auf der Straße. Das macht keinen Spaß mehr. Leider kann ich nicht sagen ob es hier einen Radweg abseits der Straße gibt – ich hab keinen gefunden. In Bruneck ist dann Schluss für den ersten Tag. Der hatte es für mich in sich. War die Strecke zu übertrieben geplant oder ich einfach zu unfit? So oder so mein eigentliches Ziel der Gardasee, hab ich in diesem Moment gegen die einfache Möglichkeit mit dem Zug zurück zu fahren eingetauscht.
Warum eigentlich zum Gardasee?
Gerade der Gardasee ist für uns Österreicher und Deutschen die erste Adresse Südlich der Alpen: Windsurfen, Biken, Klettern und Bergsteigen. Der See bietet so viel samt Dolce Vita. Aber es ist auch der selbst der fasziniert. Warum uns Seen und speziell Bergseen so in Ihren Bann ziehen und warum sie so unglaublich schön sind, dieser Frage gehe ich in meinem Buch Lagunen der Alpen nach.
TRansalp bis zum Gardasee
Untergekommen bin ich bei einem Freund in Bruneck. Eine Pizza und gute Gespräche heilen zum Glück die Wunden des angeschlagenen Egos, nicht aber die Fitness. Am nächsten Tag wollte ich nach langem Ausschlafen zumindest noch das Pustertal bis nach Bruneck aus eigener Kraft und quasi zum Ausradeln bewältigen. Ein strahlend schöner Spätherbsttag und eine wunderschöne Radstrecke haben mich wieder aufgebaut. Ich wollte schauen wie weit ich es schaffe. Einmal im Eisacktal angekommen konnte ich quasi überall in den Zug einsteigen. Ab hier verläuft der Radweg auch wie eine Autobahn und man kann ordentlich Kilometer abspulen. Normalerweise hat man aber ab Nachmittag mit Gegenwind zu rechnen. Brixen – Bozen – Trento – Rovereto. Die Strecke ist ein Klassiker, aber eher mit dem Rennrad. Mit dem Mountainbike zieht es sich doch sehr. Zum Glück bleibt mir starker Gegenwind erspart. Kurz nach Rovereto biegt dann die Abzweigung zum Gardasee ab. Die Dämmerung setzt ein und ohne Licht geht bald nichts mehr. Und dann liegt er vor einem. Das Ziel von unzähligen Alpenüberquerungen: Der Gardasee.



Die Strecke
Nochmal übersichtlich zusammengefasst die Strecke mit allen Wegpunkten des Mountainbike Alpencross:
- Kirchberg in Tirol
- Westendorf
- Windautal
- Filzenscharte
- Krimml
- Krimmler Achental
- Birnlücke
- Prettau
- Sand in Taufers
- Bruneck
- Mühlbach
- Brixen
- Bozen
- Trento
- Rovereto
- Mori
- Nago
- Torbole am Gardasee
Schau dir auch meine Tourenbeschreibung zur Transalp über das Pfitscher Joch an: zum Bericht